Glashütte Gersweiler

Waren es meist Landherren oder Klöster, auch Glasmacher allein oder Gruppen, die eine Hütte gründeten, so lag der Fall in Gersweiler anders: Hier schlossen sich spätestens 1773 fünf vermögende Bauern zu einer Gemeinschaft zusammen, um ein solches Unternehmen zu errichten: Meier Philipp Siebenschuh, Heinrich Anton Müller, Franz Martin, Johann Melling und der Hofmann des Gutes Fenne, Friedrich Schampel. Als Glasmacher holten sie sich Johann Herb, der nach dem traurigen Ende der Sophienhütte froh sein konnte, so nah von Stieringen eine neue Tätigkeit zu finden. Herb sollte Miteigentümer der Hütte werden und als solcher 130 écus in den gemeinsamen Fond einzahlen. Das Geld mussten ihm die anderen fünf allerdings leihen, mit der Maßgabe, es innerhalb von drei Jahren zurückzuzahlen. Der Vertrag wurde in Schoenecken unterschrieben, wohin sich der Forbacher Notar begeben hatte.
Dennoch gab es Schwierigkeiten. Aus unbekannten Gründen verließ Friedrich Schampel die Gemeinschaft und Johann Melling starb am 2. April 1774. Die Genehmigung der Hütte verzögerte sich, wurde aber schließlich am 8. Februar 1775 erteilt. Die Urkunde umfasste 7 Punkte, darunter einige bemerkenswerte. Punkt 1 legte fest: "eine Glaßhütte, worin jedoch nichts als Bouteillen fabricirt werden dürfen". Diese Auflage ist unverständlich. Ob andere Glashersteller Einfluss nahmen die Fensterscheiben herstellten, oder ob es Winzer um Gersweiler gab, die Flaschen brauchten um ihren Wein auszuliefern, ist nicht bekannt.
Die Genehmigung erstreckte sich nur auf neun Jahre. Die Feuerung hatte ausschließlich mit " Kohlen in hiesigen Landen" zu erfolgen. Eine Preisvergünstigung gab es in der Anfangszeit nicht. Für die Beständer unterschrieben: Johann "Fiellieb" Siebenschu und Heinrich Müller. Hans Martin machte ein Handzeichen, ein großes "M". Herb wurde nicht erwähnt, aber bald erhielt die Urkunde einen betreffenden Zusatz: "Nach Resol. S.M. vom 14. Sept. ist Joseph Herb von Gersweiler Mitbeständer der dortigen Glashütte gnädigst aufgenommen " Dieser Zusatz war dadurch bedingt, dass Herb kein Nassau-Saarbrücker war, sondern in den Augen der Behörde ein Bayer oder Lothringer, dem der Fürst "gnädigst" seinen Aufenthalt genehmigen musste.

Die Hüttengebäude wurden fertiggestellt und der Betrieb begann zu arbeiten - wenngleich der Vertrag mit der Herrschaft nicht besonders günstig war. Allein für das Betreiben der Hütte mussten 20 Gulden "Pacht" entrichtet werden.
Da es in Gersweiler keine Glasmacher gab, musste die Hütte diese von anderen Hütten abwerben. Unter den ersten Glasmachern findet man die Familien Scherzinger von der Sophienhütte, die Berger, die aus der Gegen Üassau stammten, die Hanauer aus der Pfalz, die erst spät Glasmacher geworden waren, die König aus der Umgebung von Bad König, die früher vor allem Holzhauer waren, die Gräsel, die bereits im 16. Jahrhundertim Bayrischen Wald als Hüttenmeister genannt werden, die Megele aus dem Elsaß, die Meyer aus der Gegend von Saarebourg, und natürlich Schmidt aus Creutzwald - eine Mischung fähiger Meister und gesellen.

Der Hütte ging es gut. Über ein Jahr vor Ablauf der Genehmigung beantragte man eine neue, die am 13. September 1783 erteilt wurde. Von den alten Beständern waren nur noch Herb und Siebeschu dabei, außerdem jetzt Maria Greiner, die Witwe von Caspar Meyer, Johann König, Daniel König und Raimund Scherzinger - recht viele Beständer für eine Hütte mit nur einem Ofen und 12 Arbeitsplätzen. Der Betrieb lief aber offenbar ohne Schwierigkeiten weiter.

Die Besetzung des Landes durch französische Revolutionstruppen zu Beginn der 1790er Jahre verursachte einen Stillstand auf allen Glashütten, die links der Saar lagen. Zu dieser Zeit, 1791, starb Joseph Herb. Die Hütte überstand den Stillstand aber offenbar gut. Sie verfügte über ein bedeutendes Lager, dessen Bestand veräußert werden konnte. Auch gelang es Georg Herb, dem ältesten Sohn Josephs, mit einigen Gehilfen kleinere Mengen von Glaswaren herzustellen, die in der Umgebung verkauft wurden.

1801 kehrte Andreas Herb, der einige Jahre in Schoenecken verbracht hatte, wieder zurück. Etwa 1804 kam von Friedrichstal Johann Georg Schaum. Er war sehr Vermögend und konnte ein Teil seines Vermögens der Gemeinde Gersweiler leihen. Einen Teil konnte er auch der Hütte zur Verfügung stellen und wurde Miteigentümer. Seit etwa 1806 trug das Unternehmen den Namen "Glashütte Schaum, Herb und Consorten". Bis 1814 hatte das sich die Hütte kräftig erholt und gehörte nun folgenden Eigentümer:

Verlängerung der Genehmigung
Verlängerung der Genehmigung. 1783, letzte Seite

Schaum Georg 25,70%
Scherzinger Raimund 11.30%
König Johann 16,56%
König Johann d.J.
Herb Georg Wwe. 16,36%
König Johann d.Ä. 7,56%
Herb Andreas 11,34%

Die politischen Verhältnisse hatten sich geändert und man hielt sich nicht mehr an die Klausel, nur noch "Bouteillen" herzustellen - eine betreffende offizielle Änderung konnte allerdings nicht gefunden werden. Ab 1820/1821 verlor Johann Georg Schaum immer mehr Einfluss. Von den Söhnen blieb keiner in Gersweiler. Im Gegenzug festigte sich die Familie Herb immer mehr in der Führung der Hütte.

1827 errichtete man ein weiteres Hüttengebäude. Der Ofen der neuen Fabrikationshalle hatte 12 Arbeitsplätze, der ältere nur 6, denn 1861 wird die Hütte mit 2 Öfen und 18 Arbeitsplätzen genannt. Die Baugenehmigung hatte Andreas Herb schon auf den Namen seines Sohnes Georg ausstellen lassen, der Miteigentümer wurde. Damit erhielt die Hütte auch eine neue Firmenbezeichnung, die sie bis zu ihrem Ende behalten sollte, sie nannte sich nun "Gersweiler Glashütte A. und G. Herb."

A.&G. Herb
Stempel und Unterschrift "A. & G. Herb"

Was produzierte die Hütte?
Kataloge oder Verzeichnisse über die hergestellte Glasware sind nicht überliefert. Der Gersweiler Heimatforscher Carl Büch nennt aufgrund von Scherbenresten, die er untersucht hat: Weinflaschen ¾ Liter in halb weiß, grün und rot, die gleichen auch als 1 Literflaschen, Champagnerflaschen, dreieckige und Spezialflaschen, Cognacflaschen, kleine Ballons in und sonstige kleinere Fläschchen usw. Büch schließt seine Aufzählung mit der Bemerkung: " Alle Stücke sehr dickwandig und etwas plump".

Gersweiler Hütte
Die Gersweiler Glashütte um 1840

Die große Expansion des Werkes lässt auf eine gesicherte Ertragslage schließen. Voraussetzung hierfür war, dass die Ware preiswert und von guter Qualität war. Da die Herb'sche Hütte nicht zu den 5 alten Glashütten im engeren Sinn gehörte, und darum auch keine Privilegien hatte, konnte sie die Kohle nicht zum Selbstkostenpreis beziehen, wenngleich sie Rabatte auf die Kohle bekam. Diese Rabatte liefen mit Ablauf des Jahres 1863 für sämtliche Werke aus.
Für die Güte der Ware hat man nur wenig Belege, darunter aber einen sehr aussagekräftigen: 1854 fand in Trier eine große "Kunst- und Gewerbeausstellung" statt. An dieser beteiligte sich auch die Firma "A. u. G Herb" und erhielt für ihre Flaschen eine eherne Medaille, nach heutigen Maßstäben eine Bronzemedaille. Die Gersweiler Produkte konnten sich demnach sehen lassen. Plump haben wohl nur die Noppengläser gewirkt, andere sind allerdings heute nicht bekannt.

Ihren Höhepunkt erlebte die Hütte wohl Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Glasmacher verdiente etwa 660 Mark im Jahr, ein Schürer sowie ein Tagelöhner an der Hütte etwa 360 Mark, ein Bergmann, zum Vergleich, 450 Mark und ein Erzgräber 300 Mark. Zu dieser Zeit gab es fünf Glashütten im Landkreis Saarbrücken.

In dieser Zeit der frühen Industrialisierung muss aus heutiger Sicht die Kinder- und Jugendarbeit erschrecken. Auch in Gersweiler gab es Exzesse. Die Hüttenherren wurden selten zur Rechenschaft gezogen. Ausreden gaben es massenhaft. Noch dazu wurden sie oft von ihren Eltern unterstützt, die um ihren Arbeitsplatz fürchteten.
Anderseits rief die Familie Herb am 1. Januar 1856 einen "Kranken-Unterstützungs-Verein der Gersweiler Hütte" ins Leben. Zur Begründung hieß es: "Die Erwägung der dürftigen Lage, worin Arbeiter durch Krankheit zum Erwerb oft unfähig werden, haben die Eigentümer der Gersweiler Glashütte A. u. G. Herb bewogen befunden, eine Unterstützungskasse für deren Arbeiter einzuführen." Jeder Arbeiter der Hütte musste dieser Kasse beitreten. Die Beiträge, die monatlich entrichtet wurden, waren in drei Klassen eingeteilt und beliefen sich auf 10, 7 und 5 Silbergroschen. Zusätzlich zahlte die Firma eine Summe, die dem Drittel aller Beiträge entsprach.
Georg Herb leitete die prosperierende Hütte 13 Jahre lang. 1851 starb er im Alter von 54 Jahren. Seine resolute Witwe, Elisabeth Herb, führte das Unternehmen weiter. Sie hatte zwei Söhne, Ludwig der Kaufmann war, und Andreas. Dieser war Techniker und viel auf Reisen.

Flaschen
Zwei Flaschen der Gersweiler Hütte

Ab etwa 1860 bekam die Gersweiler Hütte zunehmend Schwierigkeiten. Elisabeth Herb zog sich aus dem Geschäft zurück, Ludwig war bereits 1856 nur dreißigjährig gestorben. Nikolaus Franz Hepner, der eine Schwester von Ludwig und Andreas geheiratet hatte, versuchte es nun, die Hütte zu leiten, war aber nicht vom Fach. Dann kündigte die Mineralwassergesellschaften in Bad Kreuznach und Bad Münster am Stein, Hauptabnehmer von Sprudelflaschen, ihre Lieferungen, da in ihrer Nähe eine Flaschenglas-Hütte errichtet worden war, gegen die die Gersweiler Hütte wegen der entfernungsbedingten größeren Transportkosten nicht konkurrenzfähig war.
Überhaupt spielten die Frachtkosten eine große Rolle. Die Eisenbahn hatte ihren Siegeszug angetreten. Sie lieferte schneller und billiger als die herkömmlichen Verkehrsmittel. Gersweiler lag aber nicht am Bahnnetz, und andere Hütten, die sofort auf die Eisenbahn verladen konnten, waren nun überlegen. Andreas Herb kehrte aus der Pfalz zurück und übernahm die Leitung des Unternehmens, ohne jedoch den Niedergang aufhalten zu können. Es war kein Konkurs, sondern eine freiwillige Aufgabe einer unrentabel gewordenen Hütte, von der noch heute, wenn auch zum Teil stark verändert, Betriebsgebäude und Glasmacherhäuser stehen.

In Gersweiler wurden im 19. Jahrhundert, zwischen 1838 und 1864, noch drei weitere Glashütten gegründet. Sie spielten allerdings keine große Rolle - die Hochkonjunktur der Glashütten war schon vorbei. Hinzu kam für Gersweiler die schlechte Verkehrslage. Eine Brücke über die Saar gab es nicht. Fertigwaren und Rohstoffe mussten am Engenberg vorbei nach bzw. von Saarbrücken transportiert werden.

Quelle:
Die Glashütten und Glasmacher im und am Rande des Warndts.
Herausgegeben vom Heimatkundlichen Verein Warndt e.V.
Walter Neutzling

zurück: Übersicht - Glashütten im Warndt