Glashütte Wadgassen

Das Gelände, auf der die Glashütte Wadgassen entstehen sollte, war der Besitz des Klosters Wadgassen, dass von der Französischen Revolutionsregierung enteignet wurde. 1798 ersteigerte Nikolaus Villeroy, Besitzer der Steingutfabrik Wallerfangen und der Kohlengrube in Hostenbach, den größten Teil des Klostergeländes.

Nikolaus Villeroy gehörte einer alten lothringischen Familie an, die an der Maas bei Vacouleur und Domremy, beheimatet war. Er heiratete Sophie-Therese, sie war die Tochter des Weingutbesitzer und Kaufmann Richard Böcking in Traben-Trabach. Durch diese Ehe wurde Nikolaus Villeroy ein vermögender Mann.

Seine Aktivitäten waren vielfältig. In Frauenberg und später in Wallerfangen stellte er Keramik her. In Hostenbach ließ er Kohlen fördern, auf dem Gelände der Abtei Wadgassen gründete er eine Zuckerfabrik und errichtete hier auch ein Lager für Glaswaren, die er verkaufte. Die Glaswaren kamen von der Hütte Montcenis bei Auxerre. Er plante auch, eine Steingutfabrik um "englisches Porzellan" herzustellen. Allerdings erlebte er die Verwirklichung dieses Planes nicht mehr. Sein Enkel Alfred Villeroy griff die Idee wieder auf, konnte aber mangels Erfahrung auf dem Gebiet des Porzellans, diesen nicht weiterführen. Zwar verstand er von der Glasherstellung auch nur wenig, doch konnte er einen erfahrenen Mann für das Projekt gewinnen: Eugen Raspiller, Miteigentümer der Fenner Hütte. Dieser war vermögend und wurde Teilhaber der neuen Gesellschaft, die am 29. Juni 1843 unter dem Namen "Villeroy, Boch, Karcher u. Co." Gegründet wurde.

Mit den Bauarbeiten zur Hütte dürfte etwa um 1842 begonnen worden sein, auch wenn man das nicht genau belegen kann. Man nimmt an, dass der erste Arbeitstag an dem Glas produziert wurde, der 29. Juni 1843 war, jedenfalls betrachtet die Firma es heute Gründungsdatum. Die ersten Glasmacher kamen naturgemäß aus Lothringen. In den ersten 15 Jahren bis 1858 waren von 16 Glasmacherb 11 aus Lothringen, die übrigen kamen aus Lemberg, Soldatentahl, Meisenthal und Schoenecken. Die Hütte begann mit einem Ofen, hatte aber auf Grund der guten Ertragslage 1862 bereits vier. Entsprechend erhöhte sich auch die Anzahl der Beschäftigten. Den raschen Aufstieg verdankte die Hütte ihren ausgezeichneten Glaswaren, was mit ein Verdienst des Direktors Eugen Raspiller war. Er leitete die Hütte neun Jahre lang, bis er 1854 nur 42jährig starb. Sein jüngerer Bruder August übernahm vorübergehend, bis spätestens 1857, seine Stelle in Wadgassen. Als Erbe seines Bruders war er aber bis zum 1. Januar 1883 Teilhaber der Hütte, die dann ganz in den Besitz der Firma Villeroy und Boch überging.

Von Anfang an wurde in Wadgassen mit Kohle gefeuert, die von der nahen Grube Hostenbach kam. Die Glasöfen wurden in eigener Regie gebaut. Es waren Hafenöfen mit etwa zehn geschlossenen Häfen. Die Feuerung erfolgte vom Hüttenkeller aus, direkt unter den Öfen.
Über die Belegschaft der Hütte gibt es Aufzeichnungen von René von Boch im Archiv der Firma Villeroy und Boch in Mettlach. Nach René von Boch erhöhte sich die Belegschaft von 325 im Jahr 1883 auf 503 zehn Jahre später.
Zur frühen Produktion gibt es nur wenige Angaben. Für das Jahr 1879 nannte der damalige kaufmännische Direktor Germanus Perino die Herstellung von 7030 Gegenständen in verschiedenen Größen, dazu noch 2400 Gegenstände, die auf Bestellung und ca. 2000 Artikel, die im Laufe des Jahres vorübergehend angefertigt wurden.

Einen Verkaufskatalog der Firma gibt es bereits für die Jahre 1846 bis 1857. Er beinhaltet dreißig meistneunteilige Trinkgarnituren, sechzehn komplette Tafelgarnituren und sogar Kinderspielzeug, außerdem eine Reihe von Gebrauchsgegenständen wie Uhrengläser, Lampenschirme, Tintenfässer und eine kleine Anzahl von Objektiven aus Pressglas (vor 1870!).

Interessant ist, dass von Anfang an zwei Kristallarten angeboten wurden, ein "leichtes böhmisches Cristall" sowie ein "schweres oder französisches Cristall". Das "böhmische" wurde ohne Bleioxyd geschmolzen und gegenüber dem "französischen", bei dem es sich um Bleikristall handelte, leichter und billiger. Die beiden Begriffe wurden 1861 ersetzt durch "Halbkristall" und "Kristall". Die Verarbeitung von farbigen Glassorten fand ihren Anfang in den Jahren 1863 bis 1868 mit einigen Römern mit aufgeschmolzenen Noppen und Bändern sowie Glasfäden.

In Berichten über nationale und internationale Ausstellungen wurden die Wadgasser Erzeugnisse immer besonders hervorgehoben. Vor allem das "altdeutsche Glas" in den Farben Seegrün und klarem Hellblau erhielten besonderes Lob. Ab 1884 wurde das sogenannte Spezialkristall mit geringem Bleianteil in 13 verschiedene Farbvarianten angeboten. Von 1894 bis 1898 weisen die Kataloge eine Erweiterung um 97 Trinkglasserien auf. Großzügig erweitert wurde das Angebot dekorativer Service mit farbigen Überfängen.

Erst 1938 musste man sich auf diesem Gebiet einschränken. Die Kriegsjahre zwangen die Fertigung einfacher Formen und weniger dekorativer Schliffe.

Kristalglas
Kristallglas Treveris 1901-1995, Höhe 13 cm, Öffnung 7 cm

Von einer besonders interessanten Spezialanfertigung wird 1889 berichtet. Es handelt sich um den sogenannten Mathesius-Becher, den der Pfarrer Mathesius von Joachimsthal in Böhmen im 16. Jahrhundert geheimnisvoll beschrieben hat. In Kurzform wiedergegeben handelt es sich dabei um ein fast zylindrische, aber nach oben etwas erweiterte Form. Vom Mund-Rand aus bis etwa zur Mitte des Bechers ist ein spiralförmiger Riss eingesprengt. Fasst man das Glas am Mund-Rand an und hebt es hoch, klaffen die Ränder des Spezialrisses auseinander, so dass durch den Riss Flüssigkeit austritt. Das Glas rinnt also. Solange es aufsteht, liegen die Riss-Ränder so dicht aufeinander, dass der Becher dicht ist. Im Sonnenschein gibt der Spiralriss besonders schöne Lichteffekte. Der Mathesius-Becher wurde nur in geringer Stückzahl hergestellt.

Nach dem zweiten Weltkrieg war man, bedingt durch den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich, gezwungen, den dortigen Absatzmarkt zu gewinnen. Ende der 1950er Jahre konnte man nach anfänglichen Schwierigkeiten den deutschen Markt zurück gewinnen und den Export ausweiten. Etwa 50% der Kristallproduktion der Firma wurde weltweit exportiert. Mit Formen wie beispielsweise "Metternich" und "Treveris", die seit 1846 bzw. 1901 bis in die frühen 1990er Jahre gefertigt wurden, war die Firma erfolgreich.

1986 stellte Villeroy & Boch in Wadgassen die Serienproduktion ein. Ab 1986/87 führte ein Besucherweg durch die Produktionsstätten. Heute befindet sich auf dem Gelände Kristallerie ein Outlet-Center. Im Jahr 2012 fiel die letzte Entscheidung, dass das Gebäude der alten Produktionsstätte auch für das Outlet-Center genutzt werden kann. So bleibt wenigstens die Gebäudestruktur erhalten.

Auf YouToube habe ich ein Video gefunden, dass das traurige Ende der Kristallerie in Wadgassen und ihrer Glaskunst zeigt. Bei einem Blick in die Hallen lässt es einen erschauern. Man muss bedenken, dass es hier einmal sehr warm war und es wurde heiß, wenn die Glasbläser ihren Batzen in die Form bliesen und das Glas, zart Rot, zum abkühlen in den Abklingofen gebracht wurde.

Quelle:
Die Glashütten und Glasmacher im und am Rande des Warndts.
Herausgegeben vom Heimatkundlichen Verein Warndt e.V.
Walter Neutzling

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